Verhaltensbedingte Kündigung: 7 Fragen zu Sperrzeit & Co.
Haben Sie von Ihrem Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung erhalten, kann dies zu einer Sperrzeit bei dem Bezug von Arbeitslosengeld I führen. Bei der verhaltensbedingten Kündigung liegt der Kündigungsgrund in einem vom Arbeitnehmer steuerbaren und damit auch beeinflussbaren Verhalten.
Da das Verhalten somit auch angepasst werden kann, damit es nicht zu einer arbeitgeberseitigen Kündigung kommt, wird die Agentur für Arbeit nach einer verhaltensbedingten Kündigung annehmen, dass der Arbeitnehmer den Eintritt der Arbeitslosigkeit selbst zu vertreten hat.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Peters erklärt in diesem Beitrag, wann Arbeitnehmer bei einer verhaltensbedingten Kündigung mit einer Sperrzeit rechnen müssen, was bei einer Sperrzeit zu beachten ist und wie man eine Sperrzeit vermeiden kann.
- Was sind verhaltensbedingte Kündigungsgründe?
- Wann ist eine verhaltensbedingte Kündigung rechtswidrig?
- Wann habe ich Anspruch auf Arbeitslosengeld I?
- Was ist eine Sperrzeit?
- Was muss ich bei der Sperrzeit außerdem beachten?
- Ist man trotz Sperrzeit krankenversichert?
- Wie kann man Sperrzeit vermeiden?
- Fazit
- FAQ
Was sind verhaltensbedingte Kündigungsgründe?
Eine Kündigung muss im Falle der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes sozial gerechtfertigt sein. Sozial gerechtfertigt ist eine Kündigung gem. § 1 Kündigungsschutzgesetz dann, wenn einer der drei gesetzlich anerkannten Kündigungsgründe – betriebsbedingt, personenbedingt oder verhaltensbedingt – vorliegt.
Bei einer verhaltensbedingten Kündigung liegt der Kündigungsgrund darin, dass der Arbeitnehmer mit seinem Verhalten gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstößt und dieser Verstoß auch rechtswidrig ist – also keine rechtfertigenden Umstände vorliegen.
Beispiele für verhaltensbedingte Kündigungsgründe sind:
- Straftaten gegenüber dem Arbeitgeber (Diebstahl, Beleidigungen)
- Sexuelle Belästigung gegenüber Arbeitgeber, Kollegen, Kunden etc.
- Mehrfaches Zuspätkommen
- Minderleistungen, obwohl bessere oder schnellere Arbeit möglich ist
- Verstöße gegen die Betriebsordnung
- private Nutzung von Telefon und Internet, ohne dass der Arbeitgeber dies ausdrücklich erlaubt hat
Wann ist eine verhaltensbedingte Kündigung rechtswidrig?
Die Kündigung ist in jedem Fall dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber z.B. den besonderen Kündigungsschutz für bestimmte Personengruppen (Schwerbehinderte, Schwangere, während der Elternzeit, Mitglieder des Betriebsrats etc.) nicht beachtet hat oder den Betriebsrat nicht beteiligt hat, obwohl er dies hätte müssen.
Eine verhaltensbedingte Kündigung kann auch rechtswidrig sein, wenn der Arbeitgeber ohne Abmahnung gekündigt hat. Die vorherige Abmahnung ist Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung, es sei denn, der Pflichtverstoß ist schwerwiegend oder es steht fest, dass die Abmahnung keine Abhilfe schaffen würde. Durch die Abmahnung soll der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, die Pflichtverstöße abzustellen und sich vertragsgemäß zu verhalten.
Mehr zum Thema Abmahnung lesen Sie in diesem Beitrag
Wird dem Arbeitnehmer ein Pflichtverstoß vorgeworfen, den er tatsächlich nicht begangen hat, ist eine Kündigung ebenso rechtswidrig. Gegen eine verhaltensbedingte Kündigung kann und sollte man innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben oder durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht erheben lassen.
Eine Kündigungsschutzklage kann einer Sperrzeit bei Bezug von Arbeitslosengeld I vorbeugen.
Mehr zum Thema Kündigungsschutzklage lesen Sie in diesem Beitrag
Wann habe ich Anspruch auf Arbeitslosengeld I?
Um Arbeitslosengeld beziehen zu können, muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu zählen unter anderem die Arbeitslos-Meldung bei der Agentur für Arbeit sowie die Fähigkeit, mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten zu können.
Außerdem muss man die Anwartschaftszeit erfüllen. Diese erfüllt man, wenn man in den 30 Monaten vor der Arbeitslosigkeit mindestens 12 Monate Beiträge einbezahlt hat bzw. pflichtversichert war. Bei 12 Monaten Pflichtversicherung kann man maximal 6 Monate Arbeitslosengeld beziehen; bei 24 Monaten erhält man bis zu 12 Monaten Arbeitslosengeld.
Für Arbeitslose, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gelten unter bestimmten Voraussetzungen Sonderregelungen mit verlängerter Anspruchsdauer.
Was ist eine Sperrzeit?
Die Sperrzeit hat nach § 159 Abs. 1 SGB III zur Folge, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Sperrzeit ruht. Eine Sperrzeit wird verhängt, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben.
Keine Sperrzeit bei betriebs- oder personenbedingter Kündigung
Der wichtigste Anwendungsfall der Sperrzeit liegt im selbstverschuldeten Herbeiführen der Arbeitslosigkeit. Da es sich bei dem Arbeitslosengeld I um eine Versicherungsleistung aus der Arbeitslosenversicherung handelt, muss man als Arbeitnehmer unverschuldet arbeitslos geworden sein, um Arbeitslosengeld beziehen zu können.
Eine unverschuldete Arbeitslosigkeit liegt z.B. bei einer betriebsbedingten und in der Regel auch bei einer personenbedingten bzw. krankheitsbedingten Kündigung vor. In diesen Fällen trägt der Arbeitnehmer normalerweise nicht die Verantwortung für die arbeitgeberseitige Kündigung und ein Verschulden kann dem Arbeitnehmer nicht vorgeworfen werden.
Sperrzeit bei verhaltensbedingter Kündigung
Anders sieht dies bei der Eigenkündigung oder der verhaltensbedingten Kündigung aus. Da bei der verhaltensbedingten Kündigung ein steuerbares Verhalten der Kündigung zugrunde liegt, welches sich als Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten zeigt, hätte der Arbeitnehmer auch ein Verhalten an den Tag legen können, welches nicht zu einer Kündigung geführt hätte.
Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitslosigkeit somit selbst verschuldet und hätte diese vermeiden können. In solchen Fällen wird regelmäßig eine Sperrzeit von 12 Wochen verhängt.
Folgen der Sperrzeit
Während der Sperrzeit ruht der Bezug des Arbeitslosengeldes.
Es handelt sich bei der Sperrzeit um eine Leistungsverkürzung, da die Dauer des Bezugszeitraums des Arbeitslosengeldes sich um die Sperrzeit vermindert. Es ist also nicht so, dass sich nur der Bezugszeitraum um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit zeitlich nach hinten verschieben würde.
Im Falle einer Sperrzeit von 12 Wochen, so regelmäßig bei einer verhaltensbedingten Kündigung, vermindert sich die die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld sogar mindestens um ein Viertel der Anspruchsdauer (§ 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III).
Hätte der Arbeitnehmer beispielsweise ohne eine Sperrzeit Anspruch auf Arbeitslosengeld vom 01.06.2023 bis zum 31.05.2024, so würde er im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung und einer Sperrzeit von 12 Wochen erst ab dem 24.08.2023 Arbeitslosengeld bekommen (Sperrzeit vom 01.06.2023 bis zum 23.08.2023) und zwar nicht bis zum 31.05.2024, sondern nur bis zum 22.05.2024 (Minderung der Anspruchsdauer um ein Viertel).
Bei älteren Menschen kann sich die Minderung der Anspruchsdauer besonders gravierend auswirken. So bewirkt § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III bei einem mindestens 58-jährigen Arbeitnehmer mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung von 48 Monaten eine Minderung des Anspruchs um 6 Monate (ein Viertel von 24 Monaten).
Was muss ich bei der Sperrzeit außerdem beachten?
Erleidet der Arbeitslose auf dem Weg, den er entsprechend einer einzelfallbezogenen Aufforderung der Agentur für Arbeit zurücklegt, einen Unfall, so ist er in der gesetzlichen Unfallversicherung auch dann unfallversichert, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen einer Sperrzeit ruht, § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII.
Die Agentur für Arbeit entrichtet keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für Zeiten, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.
Ist man trotz Sperrzeit krankenversichert?
Hat sich eine Person arbeitslos gemeldet und bezieht sie Arbeitslosengeld nur deshalb nicht, weil der Anspruch wegen einer Sperrzeit (§ 159 SGB III) ruht, so besteht weiterhin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) sowie in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI) und die Beträge werden auch während der Sperrzeit von der Agentur für Arbeit getragen.
Dies gilt jedoch nicht, wenn das Arbeitsverhältnis unter Zahlung einer Abfindung vorzeitig - d.h. ohne Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist - beendet wurde. In diesem Fall ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht allein wegen der Sperrzeit (§ 159 SGB III), sondern zusätzlich wegen der Zahlung einer Abfindung (§ 158 SGB III) und der Arbeitslose muss die Beiträge selbst tragen, bis er Leistungen von der Agentur für Arbeit erhält.
Deshalb ist es besonders wichtig, dass die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten wird, sofern nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine unmittelbare Anschlussbeschäftigung besteht.
Der Anspruch auf Krankengeld ruht während der Sperrzeit, § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V.
Wie kann man Sperrzeit vermeiden?
Wenn der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen hat, kann es sinnvoll sein, eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Dies muss innerhalb von 3 Wochen seit Zugang der schriftlichen Kündigung geschehen (§ 4 KSchG), weil anderenfalls sogar eine rechtswidrige Kündigung als von Anfang rechtswirksam gilt (§ 7 KSchG).
In einem Kündigungsschutzprozess stehen die Chancen oft gut, dass man sich mit dem Arbeitgeber auf einen gerichtlichen Vergleich einigen kann.
In einem solchen Vergleich kann oft vereinbart werden, dass der Arbeitgeber die verhaltensbedingten Vorwürfe nicht aufrechterhält und dass das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen sein Ende findet. Dann kann eine Sperrzeit in der Regel vermieden werden und es ist auch möglich, weitere Regelung zu treffen, z.B. Zahlung einer interessengerechten Abfindung und Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses mit einer (sehr) guten Leistungs- und Verhaltensbeurteilung.
Mehr zum Thema Arbeitszeugnis lesen Sie in diesem Beitrag
Fazit
Verhaltensbedingte Kündigung: Grund liegt im steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, das gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstößt.
Beispiele: Diebstahl, Beleidigung, sexuelle Belästigung, Zuspätkommen, Minderleistung, Verstöße gegen Betriebsordnung, private Nutzung von Telefon und Internet ohne Erlaubnis.
Rechtswidrigkeit: Fehlender Kündigungsschutz beachtet, keine Abmahnung (außer bei schwerwiegendem Pflichtverstoß), unbegründete Vorwürfe.
Kündigungsschutzklage: Innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht erheben, um Sperrzeit zu vermeiden.
Arbeitslosengeld I Anspruch: Mindestens 12 Monate Beitragszahlung in den letzten 30 Monaten, Meldung bei der Agentur für Arbeit, mindestens 15 Stunden pro Woche arbeitsfähig.
Sperrzeit: Bei eigen- oder verhaltensbedingter Kündigung, 12 Wochen, Anspruch ruht, Arbeitslosengeld wird nicht ausgezahlt.
Folgen: Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes verkürzt sich um die Sperrzeit.
Weitere Aspekte: Unfall auf dem Weg zur Agentur für Arbeit ist versichert, Krankenversicherung bleibt bestehen, aber Anspruch auf Krankengeld ruht.
Vermeidung: Kündigungsschutzklage einreichen, Möglichkeit auf gerichtlichen Vergleich nutzen, um Sperrzeit zu vermeiden und weitere Regelungen zu treffen.
FAQ
Was sind Beispiele für eine verhaltensbedingte Kündigung?
Beispiele für verhaltensbedingte Kündigungsgründe sind:
- Diebstahl oder Beleidigung des Arbeitgebers
- Sexuelle Belästigung von Kollegen oder Kunden
- Häufiges Zuspätkommen
- Minderleistung trotz Möglichkeit zur besseren Leistung
- Verstoß gegen Betriebsordnung
- Private Nutzung von Telefon/Internet ohne Erlaubnis
Was sind Beispiele für eine verhaltensbedingte Kündigung?
Beispiele für verhaltensbedingte Kündigungsgründe sind:
- Diebstahl oder Beleidigung des Arbeitgebers
- Sexuelle Belästigung von Kollegen oder Kunden
- Häufiges Zuspätkommen
- Minderleistung trotz Möglichkeit zur besseren Leistung
- Verstoß gegen Betriebsordnung
- Private Nutzung von Telefon/Internet ohne Erlaubnis
Was versteht man unter verhaltensbedingten Kündigungsgründen?
Verhaltensbedingte Kündigungsgründe resultieren aus arbeitsvertragswidrigem Verhalten des Arbeitnehmers, das steuerbar ist und zu einer Kündigung führen kann. Beispiele sind Diebstahl, sexuelle Belästigung, Zuspätkommen, Minderleistung trotz Möglichkeit zur Verbesserung und der Verstoß gegen die Betriebsordnung.
Bedarf eine verhaltensbedingte Kündigung einer Abmahnung?
Ja, in den meisten Fällen. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist in der Regel nur nach vorheriger Abmahnung gerechtfertigt. Ausnahmen sind schwere Pflichtverletzungen oder wenn eine Abmahnung keinen Erfolg verspricht. Die Abmahnung soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sein Verhalten zu ändern und Pflichtverstöße zu beheben.
Was gilt es in diesem Kontext in Bezug auf eine Sperrzeit zu beachten?
Bei einer Sperrzeit muss beachtet werden:
- Ursachen: Eigen- oder verhaltensbedingte Kündigung.
- Dauer: Regelmäßig 12 Wochen.
- Anspruch: Ruht während der Sperrzeit.
- Konsequenzen: Verkürzt den Bezugszeitraum des Arbeitslosengeldes.
- Einreichung: Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen möglich, um Sperrzeit zu vermeiden.
Bildquellennachweis: © wfs pan | PantherMedia