Abmahnung – die „gelbe Karte“ im Arbeitsverhältnis
Verstößt ein Fußballspieler während des laufenden Spiels gegen die Spielregeln, kann ihn der Schiedsrichter mit einer gelben Karte verwarnen. Verhält sich der Spieler erneut regelwidrig, kann es eine rote Karte nach sich ziehen, so dass der Spieler das Spielfeld verlassen muss. Auch das Arbeitsrecht kennt eine „gelbe Karte“, nämlich die Abmahnung. Doch was genau ist die arbeitsrechtliche „gelbe Karte“? Führt eine Abmahnung immer zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses? Was können Arbeitnehmer tun, die zu Unrecht eine Abmahnung erhalten haben?
Diese Fragen beantwortet Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Peters in diesem Beitrag.
Wurden Sie abgemahnt? Halten Sie die Abmahnung für falsch?
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Was ist eine Abmahnung?
Eine Abmahnung muss drei Teile enthalten.
- Erstens muss die Abmahnung möglichst präzise darlegen, welche konkrete arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dem Arbeitnehmer vorgeworfen wird (Dokumentationsfunktion). Beispielsweise muss der Arbeitgeber bei einer Abmahnung wegen verspäteter Arbeitsaufnahme ganz konkret darlegen, wann (Datum und Uhrzeit) der Arbeitnehmer zu spät auf die Arbeit gekommen ist.
- Zweitens muss die Abmahnung dem Arbeitnehmer aufzeigen, wie er sich zukünftig vertragstreu zu verhalten hat (Hinweisfunktion).
- Drittens muss der Arbeitgeber in der Abmahnung für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen bzw. eine Kündigung androhen (Warnfunktion). Fehlt es an einer solchen Warnung, so handelt es sich lediglich um eine Ermahnung, die in der Regel kündigungsrechtlich ohne Bedeutung ist.
Meist geht es bei Abmahnungen um geringe bis mittlere Pflichtverletzungen. Häufige Beispiele aus der Praxis sind:
Abmahnung wegen
- verspäteter Arbeitsaufnahme
- Schlechtleistung / Minderleistung
- verspäteter Anzeige der Arbeitsunfähigkeit
- verspäteter Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
- Alkoholkonsums
- abwertenden Äußerungen gegenüber Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden
- privater Internetnutzung am Arbeitsplatz
- eines Verstoßes gegen ein Rauchverbot
Darüber hinaus sind zahlreiche andere Sachverhalte denkbar, die Gegenstand einer Abmahnung sein können.
Eine Pflicht zur Erteilung einer Abmahnung gibt es übrigens nicht. Der Vorgesetzte oder Arbeitgeber muss daher immer prüfen, ob es im Einzelfall überhaupt notwendig bzw. verhältnismäßig ist, eine Abmahnung auszusprechen. Manchmal entscheidet sich der Arbeitgeber für eine mündliche Ermahnung, um den Arbeitnehmer auf das Verhalten anzusprechen und für Besserung zu sorgen.
Übrigens: Auch Arbeitnehmer können ihren Arbeitgeber abmahnen, falls sich dieser vertragswidrig verhält.
Das Gesetz schreibt für die Abmahnung keine besondere Form vor. Ist tarifvertraglich keine Schriftform festgelegt, so kann der Arbeitgeber eine Abmahnung auch mündlich aussprechen. Zu Beweiszwecken erfolgen die Abmahnungen aber meistens schriftlich und werden in die Personalakte des Arbeitnehmers aufgenommen.
Wie viele Abmahnungen führen zu einer Kündigung?
Viele Arbeitnehmer glauben, dass nach einer bestimmten Zahl von Abmahnungen „automatisch“ die Kündigung folgt. Richtig ist zwar, dass eine Abmahnung dem Arbeitgeber den Weg zu einer verhaltensbedingten Kündigung ebnen kann. Allerdings liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er überhaupt eine Kündigung ausspricht.
Einen Automatismus, dass man beispielsweise nach drei Abmahnungen gekündigt wird, gibt es nicht. Das heißt aber auch, dass man auch schon nach einer oder zwei Abmahnungen gekündigt werden kann. Es gibt auch Pflichtverletzungen, die so schwerwiegend sind, dass eine vorherige Abmahnung entbehrlich ist. Wer beispielsweise Diebstahl begeht, riskiert eine fristlose Kündigung und kann nicht erwarten, vor einer Kündigung noch abgemahnt zu werden.
Übrigens: Für eine verhaltensbedingte Kündigung kommt es auch immer darauf an, warum zuvor abgemahnt wurde. Überzieht der Arbeitnehmer beispielsweise seine Pause und wird dafür abgemahnt, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in der Regel nur in Betracht, wenn es erneut zu einer Überziehung der Pause kommt.
Überzieht der Arbeitnehmer jedoch nach einer entsprechenden Abmahnung seine Pausen nicht mehr, sondern legt in der Folgezeit seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verspätet vor, so muss er erneut für sein Fehlverhalten (verspätete Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) abgemahnt werden.
Was kann ein Arbeitnehmer gegen die Abmahnung tun?
Eine zu Unrecht erteilte Abmahnung beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Zudem kann sie bei eventuellen Beförderungen oder Versetzungen für den Arbeitnehmer zu einem Nachteil führen. Ebenso kann eine Abmahnung beispielsweise einem sehr guten Arbeitszeugnis im Wege stehen. Deshalb stehen dem Arbeitnehmer im Falle der Erteilung einer unberechtigten Abmahnung mehrere Gegenrechte zu.
Beispielsweise kann der Arbeitnehmer eine Gegendarstellung verfassen und gemäß § 83 Abs. 2 BetrVG zu seiner Personalakte reichen. In der Gegendarstellung kann der Arbeitnehmer den Sachverhalt aus seiner Sicht kurz und prägnant schildern bzw. richtigstellen.
Man kann sich im Falle einer ungerechtfertigten Abmahnung auch bei einem etwaig bestehenden Betriebsrat beschweren, § 85 Abs. 1 BetrVG. Erachtet der Betriebsrat die Beschwerde für berechtigt, so wird er mit dem Arbeitgeber sprechen und sich für eine Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte des Arbeitnehmers einsetzen. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Berechtigung der Beschwerde eher selten zustande kommt.
Des Weiteren hat der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung des § 242 BGB und des § 1004 BGB das Recht, die Entfernung einer unberechtigten Abmahnung aus seiner Personalakte zu verlangen. Kommt der Arbeitgeber dieser Aufforderung nicht nach, kann der Arbeitnehmer eine entsprechende Klage beim Arbeitsgericht erheben. Kommt es dem Arbeitnehmer auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses an, kann ein gerichtlicher Prozess gegen eine Abmahnung auch eine Plattform für etwaige Abfindungsverhandlungen bieten.
Man sollte allerdings für jeden Sachverhalt individuell entscheiden, welcher Weg sinnvoll ist. In manchen Konstellationen kann es sinnvoll sein, gegen eine Abmahnung (zunächst) nicht vorzugehen, obwohl sie nicht berechtigt ist. Es gibt aber auch Konstellationen, bei denen es sinnvoll ist, der Erteilung der „gelben Karte“ zu widersprechen, bevor der Arbeitgeber die „rote Karte“ zieht.
Hilfe vom Fachanwalt in allen arbeitsrechtlichen Fragen!
Wurden Sie abgemahnt? Halten Sie die Abmahnung für falsch? In solchen Fällen sollten Sie als Arbeitnehmer professionelle Hilfe und Beratung in Anspruch nehmen. Alexander Peters ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und vertritt Arbeitnehmer und Betriebsräte bundesweit in allen Fragen des Arbeitsrechts. Sie erreichen Rechtsanwalt Alexander Peters unter Telefon 069 / 30078005 oder per E-Mail unter mail@arbeitsrecht-kanzlei-frankfurt.de.
Fazit
- Eine Abmahnung besteht aus drei Teilen: 1. Dokumentationsfunktion, 2. Hinweisfunktion und 3. Warnfunktion.
- Abmahnungen betreffen meist geringere bis mittlere Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis.
- Die Anzahl der Abmahnungen, die zur Kündigung führen, ist nicht automatisch festgelegt; es liegt im Ermessen des Arbeitgebers.
- Bei ungerechtfertigten Abmahnungen hat der Arbeitnehmer Gegenrechte wie Gegendarstellung, Beschwerde beim Betriebsrat und Klage vor dem Arbeitsgericht.
- Die Wahl des richtigen Vorgehens hängt von der individuellen Situation ab.
- Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht hilft Ihnen bei Fragen und persönlichen Anliegen zum Thema.
FAQ
Wie viele Abmahnungen bis zur Kündigung?
Es gibt keine festgelegte Anzahl von Abmahnungen, die zu einer Kündigung führen müssen. Es hängt von den individuellen Umständen und dem Fehlverhalten des Arbeitnehmers ab. In einigen Fällen kann bereits eine schwerwiegende Pflichtverletzung auch ohne eine vorherige Abmahnung zu einer (fristlosen) Kündigung führen, während in anderen Fällen eine oder mehrere Abmahnungen erforderlich sein können, bevor eine Kündigung bei einer erneuten Pflichtverletzung gerechtfertigt ist.
Was passiert, wenn man eine Abmahnung bekommt?
Eine Abmahnung wird regelmäßig in die über den Arbeitnehmer geführte Personalakte aufgenommen, wodurch das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers in der Regel erschwert wird. Zwar darf eine Abmahnung nicht explizit im Arbeitszeugnis erwähnt werden, gleichwohl kann sie jedoch zu einer negativen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung führen. Wurde der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt und begeht er erneut eine vergleichbare Pflichtverletzung, so wird der Arbeitgeber in der Regel nunmehr eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht ziehen.
Was sind die Voraussetzungen für eine Abmahnung?
Voraussetzung für eine Abmahnung ist ein arbeitsvertragliches Fehlverhalten bzw. eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. Eine ordnungsgemäße Abmahnung muss drei Bestandteile enthalten. Aus der Abmahnung muss hervorgehen, welche konkrete Pflichtwidrigkeit dem Arbeitnehmer vorgeworfen wird (Dokumentationsfunktion). Außerdem muss sich aus der Abmahnung ergeben, wie der Arbeitnehmer sich zukünftig zu verhalten hat (Hinweisfunktion). Und schließlich muss die Abmahnung für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen bzw. eine Kündigung androhen (Warnfunktion). Darüber hinaus muss eine Abmahnung verhältnismäßig sein. Die schriftliche Form ist dagegen in den meisten Fällen keine Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Abmahnung.
Sollte man auf eine Abahnung reagieren?
Arbeitnehmer sollten die Abmahnung ernst nehmen und künftige Pflichtverstöße unterlassen. Ob es sinnvoll ist, sich beim Betriebsrat zu beschweren, eine Gegendarstellung in die Personalakte zu reichen oder die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu verlangen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In manchen Fällen ist es angezeigt, sich gegen die Abmahnung unverzüglich und mit Nachdruck zur Wehr zu setzen. Es gibt aber auch Konstellationen, bei denen es aus taktischen Gründen besser ist, eine unberechtigte bzw. fehlerhafte Abmahnung zunächst nicht zu beanstanden. Sollte der Arbeitgeber bei einer erneuten Pflichtverletzung kündigen, lässt sich die Abmahnung nämlich auch noch im Rahmen einer Kündigungsschutzklage angreifen.
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